Dem Sozialwort der Kirchen fehlt der Mut von Papst Franziskus
Während die Worte von Franziskus als bedeutende Richtungsweisung aufgefasst werden, erscheint das neue Sozialwort in vieler Hinsicht als mutlos und ohne konkrete Perspektiven, auch im Vergleich zum Sozialwort von 1997. Dort finden sich noch konkrete Aussagen: dass die Verteidigung von Besitzständen, Subventionen und steuerlichen Vorteilen Reformen verhindert, dass Umverteilung gegenwärtig häufig die Umverteilung des Mangels ist; gefordert wurde grundsätzliches Umdenken und Umsteuern, u.a. eine verstärkte Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, ein ausreichender Familienlastenausgleich, und eine gerechtere Vermögensverteilung.
Von all diesem enthält das neue Papier der Kirchenleitungen zu wenig, und beschränkt sich weitgehend auf Korrekturen der Sozialen Markwirtschaft ohne grundsätzliches Umdenken und Umsteuern. Dagegen schreibt Franziskus: " Die Notwendigkeit, die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben, kann nicht warten,… Hilfsprojekte, die einigen dringlichen Erfordernissen begegnen, sollten nur als provisorische Maßnahmen angesehen werden…..Die Ungleichverteilung der Einkünfte ist die Wurzel der sozialen Übel." - Worte, die wir ebenso teilen wie seine Mahnung "die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben", und seinen Aufruf an die Länder zu einer großherzigen Öffnung für Flüchtlinge. Wenn Tausende bei dem verzweifelten Versuch, den sicheren Hafen Europa zu erreichen, im Mittelmeer sterben, gewinnt das Wort des Papstes vom Tod durch das Wirtschaftssystem immer mehr Gewicht.
Wir sehen diese grundsätzliche Kritik an unserem Wirtschaften und unserer Lebensweise als eine Aufforderung an uns selbst, aber auch an die Politik, Strukturen zu schaffen, die ein menschenwürdiges Leben Aller ermöglichen. Dies wird oftmals gegen die Interessen der gewinnorientierten Wirtschaft erfolgen müssen und erfordert daher eine breite und konsequente Unterstützung in der Bevölkerung. Dafür sehen wir den weiten Blick über die Grenzen unseres Wohlstands hinaus als notwendig an. Dabei fällt den Kirchen eine wesentliche Aufgabe zu. Die Kirchen sollen sich öffentlich äußern und handeln; - nicht mit Diskussionen über Entwicklungen und Strategien, sondern, besonders auch in den Gemeinden, mit attraktiven Angeboten im Sinne "dienet einander mit den Gaben, die ihr empfangen habt". Viele Menschen denken wie wir, und wir wünschen sie in unsere Kirchen. Wenn sie dazu nichts hören, kommen sie nicht. Aber auch sie sind es, die verändern wollen und können.