Prekäre Arbeitsverhältnisse treffen Menschen in ihrer Würde
Die Vollversammlung des Diözesanratsder katholischen Frauen und Männer hat sich in der Vollversammlung am 8. Mai 2014 mit der Sozialinitiative der Kirchen beschäftigt. Folgende allgemeine Kritikpunkte wurden vor allem genannt:
- Die Sozialinitiative "geschah zufällig" und findet deshalb kaum Beachtung. Wäre sie wie 1987 im Dialog entstanden, wäre wahrscheinlich das Interesse an ihr größer.
- Es fehlt eine Zielrichtung, was mit der Sozialinitiative tatsächlich geschehen soll.
- In fast allen Thesen gebe es nur unkonkrete, vielfach "schöne" Formulierungen. Der Hauptmangel sei, dass die eigentlichen Verantwortungsträger nicht benannt würden und kein "Akteur" konkret für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, ob zurückliegende oder zukünftige, in die Verantwortung genommen würde.
- Die Kirchen gingen zu wenig offensiv in den Dialog mit der Wirtschaft.
Die Aussagen in dem Abschnitt "Gemeinsame Verantwortung heißt, eine breite Beteiligung an Erwerbsarbeit als wichtigem Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen" fordern uns heraus, deutlich und prägnant die Problematik "Prekäre Arbeitsverhältnisse“ anzusprechen. Denn entgegen der relativierenden Beschreibung in dem Abschnitt stellt der Diözesanrat der katholischen Frauen und Männer im Bistum Essen fest:
Prekäre Arbeitsverhältnisse sind nicht mehr zu übersehen. Es gibt einen deutlichen Anstieg der Niedriglohnbeschäftigung (seit 1995), der vor allem Frauen und Beschäftigte im mittleren Alter (25 –54 Jahre ) mit einer Berufsausbildung betrifft. Niedrigstlöhne gewinnen an Bedeutung: Immer mehr Niedriglohnbeschäftigte verdienen immer weniger. Die Zahl der (Schein-)Selbstständigen, die mit Aufträgen und Entlohnung unterhalb des Mindestlohns arbeiten, wächst bedrohlich.
Den Diözesanrat im Bistum Essen bewegt:
Ausgehend von dem Grundsatz: "In der Mitte aller Überlegungen in der Welt der Arbeit und der Wirtschaft muss immer der Mensch stehen. Bei aller geforderten Sachgerechtigkeit muss doch stets die Achtung vor der unantastbaren Würde der Menschen bestimmend sein, nicht nur des einzelnen Arbeiters, sondern auch ihrer Familien nicht nur der Menschen von heute, sondern der kommenden Generationen..." (Papst Johannes Paul II 1987 in Bottrop)
Die oben genannten prekären Arbeitsverhältnisse treffen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in ihrer Würde als Menschen. Neben dem Gefühl „Arbeitnehmer/in zweiter Klasse“ zu sein, sehen sich Frauen und Männer einer ständigen existentiellen Unsicherheit ausgesetzt, die sich nachteilig auf das Zusammenleben in der Familie auswirkt. Darüber hinaus sind die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mittleren Alters schon heute von Altersarmut bedroht.
Um eine breite Beteiligung an Erwerbsarbeit als wichtigem Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen, besteht nach Meinung des Diözesanrates die gemeinsame Verantwortung konkret darin, sich gemeinsam für folgende Ziele einzusetzen:
- die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Sie ermöglichen eine eigenständige Existenzsicherung und beugen der Altersarmut vor.
- die Schaffung von grundsätzlich auf Dauer angelegte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse.
- die Übernahme des jetzt gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns bei Anhebung der Niedrigstlöhne vor allem auch im Dienstleistungssektor.
- gleicher Lohn für gleiche Arbeit, unabhängig von der Beschäftigungsform. Das bedeutet außerdem, rechtswidrigen Benachteiligungen (keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaub, etc.) entgegenzuwirken.
- die grundsätzliche Neubewertung der sogenannten „Frauenberufe“. Arbeitszeitvereinbarungen zu treffen, die sich vorzugsweise an der aktuellen Lebenssituation der einzelnen Beschäftigten orientieren, statt dass ihnen diese zum Nachteil ausgelegt werden.
Essen, 25. Mai 2014