Stellungnahme zum Papier "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft"

Die Ökumenische Sozialinitiative der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland hat eine breite Diskussion angestoßen. Die zentralen Etappen des Diskussionsprozesses, vom Kongress "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft" bis zu den Stellungnahmen, Gastbeiträgen und Kommentaren hier auf dieser Webseite, sind im Dokumentationsband "Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft" zusammengefasst, den Sie hier als PDF herunterladen können

Gerhard Ballewski

Gerhard Ballewski ist Mitglied des Publik-Forum Leserkeises in Berlin, der sich eingehend mit der Sozialinitiative befasst und eine gemeinsame Erklärung sowie individuelle Stellungnahmen zur Sozialinitiative der Kirchen verfasst hat.

Publik-Forum Leserkreis Berlin

Der Publik-Forum-Leserkreis Berlin hat sich eingehend mit der Sozialinitiative befasst und eine gemeinsame Erklärung sowie individuelle Stellungnahmen verfasst.

Wie ist die Welt derzeit beschaffen? Da gab es in den früheren Hochkulturen der alten Jahrtausende (Mächte im Zweistromland, Römisches Reich, Griechisches Reich usw.) nach heutigen Maßstäben "abgewirtschaftete" Kulturen und Völker und andererseits in den seit den Zeiten von Jesu Geburt erst erwachenden Kulturen nach heutigen Kriterien reiche und starke Mächte (etwa Asien, Amerika und Europa mit Deutschland). Es stellt sich die Frage, ob die Beschaffenheit dieser Rollen "naturgegeben" ist oder GOTTES Wille war oder ob sich Menschen mit Ideen, Energie und guten Zwecken oder böse Menschen mit falschen Mitteln eine reiche Nordhalbkugel aufgebaut haben könnten, zulasten der armen Südhalbkugel. Haben diese heute reicheren Völker die Rechte bzw. den Besitz an Werten und Wissen sowie die Leitfunktionen von Produkten brutal erobert oder durch ehrenwerte Teilung und Teilhabe mit den ärmeren Völkern "christlich" und gerecht aufgebaut? Dabei wurde einseitig ein Markt-Kapitalismus errichtet, der weitgehend finanzielle Mehrwerte in reiche Taschen fließen ließ und soziale Aufgaben oft vernachlässigte. Alternative Lösungen der Völkerwirtschaft, etwa Tauschwirtschaft oder volkswirtschaftliche Mischsysteme,  wurden zwar hier und da erprobt, aber nicht effektiv gefördert. Auch der sog. Sozialismus/Kommunismus scheiterte an menschlichen Schwächen.

Jedem geschichtlich informierten Mitteleuropäer ist heute bekannt und sichtbar, dass in den letzten Jahrhunderten viel Reichtum und Macht im Norden angesammelt wurden, und im Süden Europas, Asiens und Amerikas durch die Nordländer viel Unrecht verbreitet wurde. Viel des von den dortigen Machthabern tatsächlich verursachten Unrechts im Süden der Welt ist erst -und wird bis heute- durch bittere  räuberische Ausnutzung von Bodenschätzen und von Arbeitskräften zugunsten der Reichen entstanden bzw. durch Verlockungen unserer un-christlichen Lebensweise bzw. unter Missachtung von Menschenrechten und aufgrund vorgelebter überhöhter egoistischer Ansprüche im Norden als falsche Orientierung auch für Schwellenländer usw. befördert worden. Dadurch bedingt ist die Armut der Völker und die kaum heilbaren Zerstörung der Schöpfungslandschaften (Wasser, Luft und Erde) entstanden, die seitens der reichen Eroberer, beginnend mit den Kolonial-Staaten und deren Beauftragten sowie seit dem zweiten Weltkrieg verstärkt durch Industriegiganten sowie sog. sozialistische Oligarchien und in jüngster Zeit direkt und indirekt durch uns alle mit unserem Konsumverhalten im reichen Norden ausgelöst wurden.

Kirchen und Glaubensgemeinschaften aber (sowohl die katholische und evangelische in Mitteleuropa und den USA als auch die orthodoxen Kirchen in den östlichen Industriestaaten) wären daher göttlich geleitet, wenn sie nicht allein ihre eigenen Gesellschaften beurteilen würden, sondern den Zustand der Welt, an dem diese Gesellschaften ja partizipieren, von der Schöpfung und den Geboten des HERRN und dem Wesen des göttlichen Heils her befragten. Erst dann kann nachgedacht werden, wie die soziale Frage der eigenen Umgebung gelöst werden kann angesichts der weltweiten Aufgaben zur Nächstenliebe durch uns Christen.

Warum müssen wir zu jeder Jahreszeit alle Früchte der Welt essen?

Bei dieser Betrachtung kann es – anders als im Sozialwort schwerpunktmäßig ausgeführt – m.E. keinesfalls allein um ein besser ausgewogenes Gefüge des Wirtschafts-Wachstums zwischen den Schichten einer Gesellschaft – etwa nur innerhalb Deutschlands – gehen, und auch nicht um Vergleiche volkswirtschaftlicher Messzahlen zwischen reichen Nationen, etwa gemäß OECD-Statistik, sondern um eine Neuverteilung der Ressourcen der Erde zwischen allen Menschen aller Völker als Kinder GOTTES  über die Welt hinweg.

Warum muss ein Ehepaar in Deutschland zwei/drei Autos fahren und eine Familie in Kongo oder im Sudan oder in Burma stundenlang im Schlamm und Regen nach einem Brot anstehen und dies letztlich nicht bekommen, weil der Weizen verfault und das Wasser schmutzig war, so dass die Kinder dort nach dem Erleben himmelschreienden Unrechts durstend, hungernd und jammernd einschlafen müssen und hier Kinder per Computertechnik  Märchen- oder Gewaltvideos ansehen. Ist dieses Wirtschaftswachstum noch menschlich vertretbar? Warum wurde zuvor mit unserer indirekten Unterstützung seitens der Pharmagiganten eine Gen-Mais-Sorte teuer verkauft, die zwar einmal reift, dann aber die Frucht von den Bauern dort nicht mehr natürlich als Samen für die nächste Ernte verwendet werden kann, sondern jedes Jahr zum Gewinn der Industrie neu gekauft werden müsste, wenn nur der Transport und der Verkauf der mit Hungerlohn entlohnten Erträge der armen Landarbeiter zu uns in reiche Länder fair und preisgerecht organisiert werden würde und nicht durch viele Instanzen dazwischen (Staat, Händler und Transporteure und Konzerne) zusätzlich betrügerisch verteuert werden würden? Warum müssen wir zu jeder Jahreszeit alle Früchte der Welt essen?

Das alles funktioniert nur deshalb, weil wir (die reichen Nordvölker, incl. der uns hier arm erscheinenden Menschen mit Mindesteinkommen) etwa bei unseren Supermarktketten angeblich auf  niedrigste Preise drücken und dann – wenn wir "billig" eingekauft haben, doch bis zu 1/3 unserer Nahrung als Überschuss verrotten lassen oder wegwerfen.

Dagegen und gegen die vielen anderen Ungerechtigkeiten der Welt und der Gesellschaft bei uns wäre ein Aufschrei der Kirchen und Religionsgemeinschaften vonnöten – davon liest man in offiziellen Papieren dieser sog. Kirchen (Gemeinschaft der Gläubigen) leider kein Wort.

Sich nicht dem wirtschaftlichen Wachstum verschreiben, sondern anderem Wachstum

Es geht den Autoren wohl nur um die gerechte (hiesige) Gesellschaft, nicht um die gerechte Welt! Das ist kein Aufruf zum wirklichen "Verzicht auf zu viel Konsum" in unseren Haushalten in unseren Regionen, nichts davon ist uns bekannt geworden, vielmehr wird aller Orten dem sog. "Wachstum" gehuldigt – übrigens war das auch so in der politischen Werbung für die EU-Parlamentswahlen und ist so in der EU- bzw. nationalen Tagespolitik!  

Daher ist die vorliegende Fassung des Sozialwortes total unausgewogen im Sinne unseres christlichen Glaubens, ja stellt u.E. eine Sünde dar im Sinne der Jesus-Worte und Werke und wirkt bei nicht-christlichen Menschen sicher nicht missionarisch, sondern selbstherrlich-egoistisch! Gefordert wäre stattdessen in den Worten der Kirche eine deutliche Stellungnahme zugunsten eines anderen als dem wirtschaftlichen Wachstums, nämlich zugunsten des Wachstums der Liebe, der Demut, der Mitmenschlichkeit, der Ehrlichkeit und Nächstenliebe usw. Die Krchen in unserer Zeit sollten hauptsächlich für diese Ziele werben und nicht – wie auf Seite 17 lesbar – behaupten, "nur eine verantwortlich gestaltete Marktwirtschaft ist geeignet, …". Alternativ zu solchen überholten Formen lassen sich wohl auch menschenwürdigere Staats-, Sozial- und Wirtschaftssysteme finden und erproben und wären wohl von Christen eher zu fordern und von Kirchen primär zu unterstützen!